Stell dir einmal vor, du ziehst in ein neues Haus mit Garten. Nachdem die meisten Kartons ausgepackt sind, nimmst du dir den Garten vor. Mit Stift und Papier fängst du an zu planen. Die Rosen links, der Rosmarin rechts. Fürs Gemüse ein paar Hochbeete. Ein automatisiertes Bewässerungssystem muss auch noch her, das ist effizienter. Und bevor du dich versiehst, ist es plötzlich Mitternacht und du bist mittendrin in der Planung.
Während es im letzten Newsletter um Tipps von Schäfer:innen für Wissensarbeitende zu Arbeitsweise, Mindset und Visualisierungen ging, steigen wir heute heute zuerst tiefer in die Mechanismen des Stress ein und schauen dann in unseren inneren Garten. Anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse leiten wir dann ganzheitlich sechs Methoden und Gewohnheiten ab, die uns kurzfristig und langfristig helfen, wieder unseren Körper zu aktivieren und besser mit Stress umzugehen. Eine geballte Ladung Wissen, die uns aber helfen wird zu verstehen, warum eine holistische Herangehensweise an den Umgang mit Stress wichtig ist. Wenn du nur die Tipps haben möchtest, spring einfach hier zum ersten Tipp.
Erst mal die Grundlagen, was passiert im Körper bei Stress?
Der Körper reagiert auf Stress über ein komplexes System, das eng mit dem autonomen Nervensystem verbunden ist, ohne unser Zutun. Dieses System besteht aus zwei Hauptkomponenten: dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Wie schon im letzten Newsletter beschrieben, wird der Sympathikus in einer Fight-or-Flight-Reaktion (engl. für Kampf oder Flucht) aktiviert. In dieser Phase steigt die Herzfrequenz, die Atmung beschleunigt sich, und der Körper setzt Stresshormone wie Adrenalin und Noradrenalin frei, um eine schnelle Reaktion zu ermöglichen. Gleichzeitig wird der Parasympathikus, der für Rest and Digest (engl. für Erholung und Verdauung) zuständig ist, unterdrückt. Dieses Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus reguliert den Energiehaushalt des Körpers.
Ein weiterer Akteur in der Stressreaktion ist die HPA-Achse, bestehend aus den Komponenten Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde. Diese Drei sind Drüsen, die bei der Wahrnehmung einer stressigen Situation Signale an die nächste Komponente senden, damit am Ende der Kette in der Nebennierenrinde Cortisol produziert und freigesetzt wird. Cortisol spielt u.a. eine zentrale Rolle bei der Regulation des Stoffwechsels und der Immunantwort des Körpers auf Stress.
Die Gartenplanung kann ganz schön schlauchen. Am nächsten freien Wochenende setzt du dich hin, schaust dir die gemachten Notizen an und fängst mit frischen Augen an, die Planung zu verbessern. Du skizzierst und berechnest die Länge des Bewässerungssystems und das Volumen der Hochbeete. Und du entscheidest, welches Gemüse du willst und welche Samen du zu welchem Zeitpunkt brauchst, um sie zum richtigen Zeitpunkt zu säen.
Was passiert hier eigentlich im Gehirn?
Bei der Gartenplanung geschehen logische und rationale Prozesse, wie das Analysieren, Priorisieren und Problemlösen. Dank moderner Bildgebungsverfahren wissen wir, dass dies vor allem in der linken Gehirnhälfte stattfindet*. Wenn sich Mitarbeitende im IT Bereich, wie Developer oder Projektmanager, stark auf solche Aktivitäten konzentrieren, kann dies dazu führen, dass die linke Hirnhälfte überstimuliert wird. Gleichzeitig ist die rechte Hirnhälfte, die unter anderem für emotionale Wahrnehmung und Verarbeitung zuständig ist, weniger aktiv. Eine übermäßige Aktivierung der linken Hirnhälfte kann zu einem Ungleichgewicht im Gehirn führen, das sich auf die Fähigkeit zur emotionalen Regulation und Stressbewältigung auswirken kann.
Die rechte Hirnhälfte ist übrigens auch der Prozessor für die Verarbeitung sensorischer Informationen und für die räumliche Wahrnehmung des eigenen Körpers sowie für die Koordination von Bewegungen. Die rechte Hirnhälfte wird auch mit kreativen Prozessen in Verbindung gebracht.
Wie kommunizieren Körpersysteme miteinander?
Jetzt wissen wir, welche Gehirnareale in welchen Prozessen überwiegend aktiviert werden. Aber wie kommuniziert das Hirn mit dem Rest des Körpers? Während ausgeschüttete Hormone, wie Adrenalin und Cortisol über den Blutkreislauf an ihren Bestimmungsort gelangen, werden elektrische Signale über die Nerven geleitet.
Der für das Stressmanagement wohl wichtigste Akteur ist der Vagusnerv. Als Teil des Parasympathikus (Rest and Digest), reguliert er die Kommunikation zwischen dem Gehirn und den inneren Organen. Ähnlich einem Bewässerungssystem hat der Vagusnerv (verwandt mit dem Wort Vagabund) eine zentrale Rolle, da er im ganzen Oberkörper umherschweift, um das Gehirn mit einer Vielzahl von Organen, wie Herz, Lunge, Magen-Darm und – Achtung – Niere und Nebenniere zu verbinden. Nerven sind natürlich komplexer als Wasserrohre, da sie in beide Richtung Signale leiten, so wie als würde das Bewässerungssystem der Planungszentrale gleichzeitig Sensorinformationen über Bodenwerte wie Feuchtigkeit oder Qualität senden, statt nur Wasser zu verteilen.
Jenuch Theorie, wat soll ich jetz damit?
Ich finde es wichtig zu wissen, weshalb wir etwas tun, um motiviert jene Veränderungen im Leben anzugehen, die für einen besseren Umgang mit Stress notwendig sind.
Es ist ein Wochenende später, und du hast noch keinen Stein im Garten umgedreht. Du merkst, du möchtest ins Tun kommen. Der Garten ist nicht nur im Kopf!
Stell dir den Körper als einen Garten vor, in dem verschiedene Bereiche unterschiedliche Aspekte unseres Wesens repräsentieren: der Kopf als Kontrollzentrum, in dem Gedanken und Pläne kultiviert werden und der Rest des Körpers als Boden, auf dem Gefühle, Körperempfindungen und Intuitionen wachsen. Wenn wir sowohl beruflich als auch privat zu viel Zeit in unserem Kopf verbringen, ist das so, als würden wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf die Schaltzentrale richten und den Rest des Gartens vernachlässigen. So wie ein Garten in seiner Gesamtheit Pflege und Aufmerksamkeit braucht, so braucht diese auch unser Körper in all seinen Teilen, um zu gedeihen.
Hallo Welt? Hallo Körper!
Wir befinden uns zunehmend nur noch in unseren Köpfen, in Gedanken, mental im Geist: Ganz egal, ob Programmieren oder Projektmanagement als Job, soziale Medien, Diskussionen oder Zeitung lesen. In einigen alten Philosophien wie dem chinesischen Qi Gong oder den hinduistischen Traditionen wie Yoga, gibt es das Konzept der Energie (Chinesisch Qi, im Yoga auf Sanskrit Prana) Diese sollte für ein harmonisches, also ein stressresilientes Leben, möglichst gleichmäßig im Kopf und Körper verteilt und im Fluss sein. Ob du mit dem Wort Energie als Konzept etwas anfangen kannst, kommt wohl auf deine Einstellung und Vorurteile drauf an. Ich möchte an dieser Stelle einfach darauf hinweisen, dass diese Konzepte vor Jahrtausenden ohne moderne Technik und ohne heutiges Medizinvokabular entwickelt wurden. Trotzdem kommen die Konzepte nah heran an die Physiologie der Menschen, die wir heute mit neuen Begriffen wie Nerven und elektrischen Signalen detaillierter beschreiben können. Meine Interpretation mit meinen Worten: Wir sind ganzheitliche Wesen, die nicht nur aus dem Kopf bestehen, sondern auch aus einem Körper. Und in unserer heutigen Welt und in der hiesigen Kultur scheint der Körper irgendwie aus dem Fokus gelangt zu sein.
Das in der modernen Psychologie Embodiment genannte Prinzip geht genau darauf ein. Rücke deinen Körper wieder mehr in den Fokus und priorisiere ihn langfristig!
Ich möchte dir hier sechs Aspekte und Methoden anbieten, die einerseits wissenschaftlich bestätigt sind, andererseits von mir ausprobiert und als wichtig empfunden wurden. Geordnet sind sie von lang- zu kurzfristigen Techniken.
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1) Die Basis: Wichtige Alltagsentscheidungen
Obwohl so selbstverständlich, sind die Alltagsentscheidungen doch einige der wichtigsten, deshalb hier als erstes. Wenn es unserem Körper nicht gut geht, weil essentielle Dinge fehlen, können wir noch so tief atmen oder tappen. Die Basis fehlt einfach. Im folgenden ein paar Fragen, die du dir jetzt stellen kannst. Weitergehende Informationen findest du in der oben erwähnten Anleitung.
- Schlaf. Die Zeit für Gehirn und Körper sich auszuruhen, Muskeln zu reparieren und neu erschaffene Synapsen im Gehirn zu stärken.
- Ernährung. Du bist, was du isst. Schon lange vor schwedischen Knäckebrotbäckern hat im 19. Jahrhundert der deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach die Ernährung als Grundlage der Gesundheit deklariert. Wie auch schon asiatische Gelehrte lange Zeit vor ihm. Mittlerweile wissen wir: Stress erhöht den Verbrauch von Sauerstoff und Nährstoffen. Und es gibt Substanzen, die stressfördernd wirken.
- Sozialer Rückhalt: In der Ubuntu-Philosophie gibt es die Weisheiten ‘Der Mensch ist Mensch durch andere Menschen.’ und ‘Ich bin, weil wir sind.’ Unsere Gesellschaft ist so individualistisch geworden, da vergessen wir das manchmal. Mit wem verbringst Du deine Zeit?
2) Bewegung
Der Mensch hat evolutionstechnisch viel Zeit im natürlichen Umfeld in Bewegung verbracht. Um zu veranschaulichen, wie es um unsere Körper in der modernen Welt steht, gehen neue Sätze durch die Runden wie ‘Sitzen ist das neue Rauchen’. Wir sitzen in der Schule, an der Uni und im Büro. Dann sitzen wir in der Bahn und zuhause am Tisch oder auf der Couch. Kommst du denn noch problemlos auf den Boden runter? Und wieder hoch?
Du wirst schon selbst wissen, welche Bewegungen und Sportarten dir gut tun. Wenn du eine Bewegungsart regelmäßig über einen längeren Zeitraum ausführst, wirst du schon gemerkt haben, wie sich das Körpergefühl über einen Zeitraum hinweg entwickelt. Wie Informationen aus dem Körper zum Geist gelangen. Eventuell wirst du auch bemerkt haben, wie du dich fühlst, wenn du über eine längere Zeit weniger tust. Mehr Ideen zu Bewegung, wie bereits angemerkt, in der Anleitung.
3) Journaling
Was macht eine so mentale Aufgabe wie Journaling (engl. Tagebuch schreiben) in dieser so körperbetonten Liste an Methoden? Weil wir uns im Journaling mit Emotionen beschäftigen, um unsere emotionale Intelligenz zu verbessern. Und Emotionen sind nicht nur in unseren Köpfen, sondern vor allem im Körper spürbar. Schmetterlinge im Bauch? Enge in der Brust? Frosch im Hals? Mach ich mir vor Angst in die Hosen?
Das sind alles körperliche Anker, wie wir Emotionen als Teil des menschlichen Erlebens empfinden. Erhöhen wir durch Bewegung die Sensorik für unseren Körper, also das Gespür und die Achtsamkeit für Signale, die der Körper sendet, erhöhen wir auch die Möglichkeit, Emotionen besser zu spüren.
In der Anleitung findest du konkrete Tipps und Anweisungen, wie das Journaling gut klappen kann.
4) Atmung
Durch gezielte Atemtechniken kann der Vagusnerv aktiviert werden, was den Parasympathikus stimuliert und Stress abbaut. Durch gewisse Atemtechniken wird auch die Aktivität der Gehirnhälften ausbalanciert. Die Bedeutung des Atems liegt daher nicht nur in der Sauerstoffversorgung des Körpers, sondern auch in seiner Fähigkeit, das autonome Nervensystem zu beeinflussen und die Stressreaktion zu modulieren. In der Anleitung findest du hierzu drei Atemtechniken, die du ausprobieren und üben solltest.
5) Körpervisualisierung à la Body Scan Meditation
Über die Macht und den wissenschaftlich bestätigten Wert der Visualisierung habe ich schon im letzten Newsletter geschrieben. Der Body Scan ist meistens eine geführte Meditation, in der wir in Gedanken durch den Körper gehen und uns dabei die einzelnen Körperteile visuell vorstellen. Dabei können wir die einzelnen Körperteile nach und nach entspannen, was sich wiederum auf Atmung und den Vagusnerv auswirkt. Schaue dir als Abonnent gern die Anleitung an!
6) Tappen
Das Tappen (von engl. to tap – berühren, klopfen), wie es hier gemeint ist, wird in der Emotional Freedom Technique (EFT) verwendet. Das Klopfen stimuliert den Vagusnerv manuell von außen, beruhigt das Nervensystem und unterstützt die Emotionsregulierung. Diese Übung kann dann angewendet werden, wenn man sich sehr gestresst oder emotional überfordert fühlt. Siehe gern in der Anleitung nach, wie es genau funktioniert.
Bin ich damit jetzt perfekt gegen Stress ausgerüstet?
Niemand sagt uns, wie wir unser Leben zu führen haben. Wir leben in einer Zeit und einem Wohlstand, wo uns zu jedem Zeitpunkt quasi alles zur Verfügung steht, das wir konsumieren oder machen wollen. Wir müssen selbst einen Weg finden, der zu uns und unseren Werten passt. Und wenn wir das wollen: Einen Weg, in dem es uns gut geht. Es liegt an uns, die Zügel in die Hände zu nehmen und das Beste daraus zu machen!
Auch wenn man bei einigen dieser Punkte die Henne-Ei-Frage stellen kann: Verändere das, was du verändern kannst (denk an deinen Circle of Control) und schau was passiert. Wenn du nichts veränderst, verändert sich auch nichts. In diesem Newsletter haben wir gesehen, dass es sich für ein stressresilienteres Leben lohnt, sich auch dem Körper zu widmen. Der innere Garten besteht nicht nur aus der Planungszentrale Gehirn, sondern auch aus allen anderen Teilen des Körpers, die gehegt und gepflegt werden wollen. Der Körper fühlt sich gut an, wenn er fit ist. Wenn wir genug Schlaf, Bewegung, Nähr- und Sauerstoff bekommen. Und dem Mentalen tut es gut, wenn wir lernen, unseren Fokus auf körperliche Signale wie Atmung oder Sinneswahrnehmungen im Body Scan zu lenken. Und wenn wir uns aktiv um unsere Emotionen kümmern, statt sie zu ignorieren oder zu unterdrücken. Das wiederum hat einen Einfluss auf unser Stressempfinden, das nicht nur psychisch, sondern eben auch zu großen Teilen körperlich ist.
Nimm dir gern in der nächsten Zeit ein Thema pro Monat vor und schau, wie du darauf reagierst. Einerseits hilft dir das, dich nicht zu überfordern, während du andererseits so die Wahrscheinlichkeit erhöhst, besser zu merken, was wirklich eine Auswirkung hat.
“Wir überschätzen, was wir in einem Monat erreichen können, aber wir unterschätzen, was wir in einem Jahr erreichen können.”
Wenn dir beim Lesen eine der Methoden besonders aufgefallen ist, wähle sie als Erste aus und implementiere sie mittels einer neuen Routine in deinen Alltag. Mach dir jetzt einen Kalendereintrag für einen Monat später und schau dir in der Retrospektiven an, ob und was sich geändert hat, und verändere ggfs. deinen Kurs.
Und freue dich auf den nächsten Newsletter, in dem wir uns wieder mit konkreten Veränderung für einen besseren Umgang mit Stress befassen.
Wenn du mit der Umsetzung der Methoden oder sonstigen Themen im Bezug zu Stressmanagement Unterstützung möchtest, buche dir direkt ein kostenloses und unverbindliches 30-min Kurzcoaching.
*Disclaimer: Dies ist eine vereinfachte Erklärung mehrerer hyperkomplexer Gehirnmechanismen. Es feuert nicht immer nur ausschließlich eine Hirnhälfte, sondern es ist ein Zusammenspiel verschiedener Hirnregionen, ob links oder recht, Groß-, Zwischen- oder Kleinhirn, Hirnstamm, etc. Grundsätzlich scheinen sich die meisten Wissenschaftler:innen aber einig zu sein, dass es messbare Tendenzen zur einen oder anderen Seite gibt.